Das Ende der werbefreien Trikots
Die Entscheidung scheint gefallen: Auch die NHL wird ab der Saison 2022/2023 Werbung auf ihren Trikots erlauben; die Washington Capitals haben bereits ihr Trikot mit Werbung vorgestellt. Auch wenn es sich nur um einen kleinen Patch im Brustbereich handelt, ist es doch in den Augen vieler Fans ein Sakrileg. Über 100 Jahre kam die NHL ohne Werbepatches aus. Nachdem die NHL bereits in der letzten Saison Werbung auf den Spielerhelmen erlaubte, erfolgt nun die nächste, weitaus größere Zäsur. In Eishockey-Deutschland tragen Mannschaften seit 1979 Werbung – und verantwortlich dafür, war der KEC-Präsident jener Zeit.
Als Jochem Erlemann sein Amt als Präsident des KEC 1976 antrat, drehte er das Kölner Eishockey einmal „auf links“. Der Geschäftsmann galt zu seiner Zeit als gefeierter Star einer Szene, die mit Finanzprodukten agierte. Seine konsequente Nutzung von Abschreibemodellen macht ihn zum Vordenker einer Steuervermeidungswirtschaft, die heute ausgeprägter und professioneller denn je ist. Für Erlemann sollte sie später jedoch sogar zu einer Haftstrafe führen, als das Rad überspannt war.
So findig Erlemann in seinem Metier agierte, so wenig Ahnung hatte er am Anfang seiner Präsidentschaft vom Eishockeysport. Doch er blickte mit einem frischen, modernen und wirtschaftlichen Blick auf den Sport und den noch jungen Kölner Eishockey-Club. Der KEC war wiederum erst wenige Jahre zuvor aus dem Kölner Eis-Klub mit seiner Geschichte seit 1936 ausgetreten, um die alten, verkrusteten Strukturen abzuschütteln. Erfolge konnten verbucht werden, etwa indem Gerhard und Udo Kießling als Trainer und Verteidiger verpflichtet werden konnten.
Der ganz große Sprung aber gelang nicht und so suchte und fand man einen wie Erlemann. Der passte auf den Verein und seine moderne Attitüde wie die Faust aufs Auge. Die bisherige Entwicklung war Erlemann jedoch nicht weitreichend, nicht schnell und nicht erfolgreich genug. Mit geradezu schlafwandlerischer Genialität änderte er das Logo, die Trikots, die Vereinsfarben, die PR, die Vermarktung, aber vor allem das Budget der Haie – zum Großteil aus der eigenen Tasche. Das Sahnehäubchen aller Bemühungen war die die Verpflichtung des besten deutschen Eishockeyspielers der Zeit, Erich Kühnhackl. Der Coup war sowohl Husarenstück, als auch cleverer Schachzug, von dem sich Erlemann sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg versprach.
Denn nun „waren die Haie wer“ und das drückte sich sportlich durch die erste Meisterschaft 1977 aus. Erlemann konnte es damals nicht ahnen, aber die Haie waren von nun an über Jahrzehnte in der Spitzengruppe des deutschen Eishockeys fest verankert.
Wo sich seine Reformen jedoch nicht in dem Maße auszahlten, wie Erlemann es erhofft hatte, das waren die Vereinsfinanzen. Einerseits, weil sich immer neue Baustellen aus der Vergangenheit auftaten und aus rund 400.000 DM Schulden „plötztlich“ 2.400.000 DM wurden.
Erlemann setzte bereits in seiner ersten Saison einen Sanierungsaufschlag von 4 DM auf jede Karte durch. Die Refinanzierungsmöglichkeiten darüber hinaus waren indes begrenzt. Merchandising war in Deutschland noch mehr oder weniger unbekannt und nur ansatzweise vorhanden. Die Suche nach weiteren Einnahmequellen wurde intensiviert. Die heute noch rege bei Ebay gehandelte, edel gestaltete Chronik „Als die Haie beißen lernten“ war etwa gleichzeitig sowohl Merchandising-, als auch Werbe- und Abschreibeobjekt in einem.
Der KEC-Präsident scherte sich nicht um die Konventionen der Eishockeyszene, welche an der Schwelle von Amateursport und (offensichtlichem) Profisport festhing. Er glaubte nicht an die immer offenen Geldbörsen von Mäzenen, sondern wollte einen Verein, der sich finanziell selber tragen kann. Er gliederte die Vermarktung des KEC in eine GmbH aus, verlieh junge Spieler zu anderen Vereinen, um sie dort ausbilden zu lassen, forderte offensiv den Profi-Sport und wurde für den Gedanken einer 15.000 Zuschauer-Arena in Köln und einer Liga aus GmbHs statt Vereinen für verrückt erklärt.
Und er setzte einen Schritt um, der damals wohl für ähnlich viel Verärgerung gesorgt haben dürfte, wie die Entscheidung der NHL heute. Bereits 1973 hatte der Fußballverein Eintracht Braunschweig erstmals Werbung auf Trikots drucken lassen und für einen Skandal gesorgt. Der deutsche Eishockeysport war hiervon jedoch noch unberührt geblieben. Bis jetzt, denn Erlemann platzierte ab der Saison 1978/1979 Werbung auf den Trikots der Haie.
Der erste Gegenstand der Rubrik „Stick and Sweater“ ist dieses signierte Foto von Erich Kühnhackl. Gut zu sehen ist die heute bescheiden anmutende Platzierung von lediglich einem Sponsor auf der Brust. „Zunft Kölsch“ wurde so zum ersten Trikotsponsor der Haie und dem deutschen Eishockey.
Erlemann selbst bezeichnete die Etablierung eines Trikotsponsors als „bedeutend“ und sprach vom KEC als „Vorreiter einer Entwicklung (…), die auch im Eishockey nicht aufzuhalten sein wird. Die Vereine können es sich einfach nicht leisten, den Werbewert ihrer Bundesliga-Mannschaften nicht auszunutzen.“ Ein Blick auf die Trikotgeschichte seitdem gibt Erlemann recht.
Eine breitere Brust als die auf dem Foto hätte sich die Kölsch-Marke für die rund 250.000 DM pro Saison schwere Werbung nicht aussuchen können, denn Kühnhackl war der dominierende Spieler der Zeit. Nachdem er die Haie 1977 zur Meisterschaft geführt hatte, waren die Haie 1977/1978 trotz wieder überragendem Kühnhackl überraschend und am wahrscheinlichsten am fehlenden Fokus im Meisterschaftsrrennen gescheitert. 1979 wurde der Schalter dann wieder umgelegt, die Mannschaft gewann in souveräner Art und Weise – etwa schlug man den amtierenden Meister SC Riessersee gegen Ende der Saison 14:1 und 14:2.
Die Idee einer Top-Mannschaft mit dem Zugpferd Kühnhackl auf dem Eis, einem frischen Image und einer professioneller Vermarktung scheiterte jedoch. Es zeigte sich damals schon, was auch heute noch gilt: Einzig aus den Zuschauer- und den Werbeeinnahmen war und ist Eishockey auf deutschem Spitzenniveau nicht finanzierbar. Immer wieder haderte Erlemann mit den Zuschauerzahlen. Die ihm ohnehin schon zu kleine „Lente“ war nur zu Spitzenspielen gut besucht. Und so trat Erlemann am 11.03.1979 als Präsident zurück, nachdem er wiederum aus der eigenen Tasche zur Finanzierung seines Luxuskaders beisteuern musste.
Was von Erlemann blieb, war viel. Die Haie nach Erlemann etablierten sich über Jahrzehnte in der Spitzengruppe des deutschen Eishockeys. Rein optisch treten die Haie seit 1976 mit einem unverkennbaren Hai (und seinem leicht veränderten aktuellen Nachfolger) an. Auch das Farbschema schwarz-weiß-rot musste nur in den „Kelts-“ und „ProMarkt-Jahren“ in den Hintergrund treten. Und auch die Trikotwerbung, die blieb. Nicht nur in Köln, sondern deutschlandweit.
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